Wie schon in der Geschichte erwähnt sind viele Übungen immens belastend für den kompletten Körperbau und können in der Wachstumsphase zu schlimmen Schäden führen. Aus diesem Grund gibt es Übungen, die erst volljährigen, "ausgewachsenen" Sportlern zu turnen erlaubt sind. In der Geschichte des Gerätturnens wurden einzelne Elemente aufgrund ihrer Härte sogar gänzlich verboten. Kinder werden schon sehr jung auf Höchstleistung trainiert. Um die Gesundheit zu schonen und Kinder vor Überlastung zu schützen, gibt es für die Teilnahme an bestimmten Wettkampfen ein Mindestalter. Die Annahme, dass gute Turner klein sind, bestätigt sich. Durch viel Training und die eventuell damit verbundenen Wachstumsstörungen werden Turner in der Regel tatsächlich nicht sehr groß. Vor allem bei Kindern, die in Vorbereitung auf den Kader trainiert werden, kann das harte Training Auswirkungen auf das Wachstum haben. Simone Biles zum Beispiel erreicht eine Körpergröße von 142 cm, Fabian Hambüchen ist 163 cm groß.
Auch das verspätete oder eventuell komplett ausbleibende Eintreten der Periode ist auf hartes Traing zurück zu führen. So wie in vielen anderen Bereichen des Spitzensport, besteht auch beim Gerätturnen die Gefahr, dass weibliche Turner es eher schwer haben werden schwanger zu werden.
Turnen ist eine der verletzungsträchtigsten und härtesten Sportarten. Es gibt Turner, die sich in ihrer kompletten Laufbahn nicht ein einziges Mal verletzen. Doch es gibt Turner, bei denen Verletzungen an der Tagesordnung sind. Das liegt daran, dass im Hochleistungsbereich des Gerätturnens die Sportler bis an ihre Schmerzgrenzen und nicht selten weit darüber hinaus gebracht werden.
Im Schaubild rechts sind die prozentualen Gewichtungen der Verletzungen bei Kaderturnern bzw. Kaderanwärtern ersichtlich. Wie deutlich daraus hervorgeht, sind Verletzungen an viel belastenden Gelenken, wie z.B. Schulter- oder Fußgelenke, stärker vertreten. Bei Kaderturnern allerdings sind die Schulterverletzungen um einiges häufiger. Zu den hauptsächlichen Verletzungen zählen Risse der Bänder und Muskeln, Stauchungen, Prellungen und Brüche (Bild oben links Beinbruch bei Samir Ait Said bei der Olympia 2016).
Nur wenige Turner können sich lange an der Spitze halten. Mit Mitte zwanzig ist der Zrenit bei den Meisten erreicht oder sogar schon überschritten. Das liegt hauptsächlich an dieser großen physischen Belastung. Hinzu kommen die psychischen Belastungen. Die Dokumentation Athlet A, die vom Mißbrauch im Turngeschäft handelt, findest Du auf Netflix. Wie überall gilt auch hier: "Ausnahmen bestätigen die Regel".
Durch den permanenten Leistungsdruck im Hochleistungssegment ignorieren Sportler oft ihre Grenzen, um noch bessere Leistungen erzielen zu können. Doch dies kann schwere Folgen nach sich ziehen. Die körperlichen Folgen haben wir bereits oben behandelt. Was diese Überlastung aber psychisch und unsichtbar mit dem einzelnen Menschen macht, sitzt oft sehr tief und kann ein Leben zerstören. Psychische Mißhandlung beginnt bereits bei Aussagen wie "bist du etwa schon müde?" und endet noch lange nicht bei "das war die schlechteste Übung, die ich je gesehen habe". Wie lange und wie gut eine menschliche Seele das verkraftet, hängt von jedem Individuum ab. Doch genau diese Aussagen können Turnerinnen und Turner an sich selbst zweifeln lassen, sie in eine Essstörung oder Depression drängen und den Weg für langfristige psychische Probleme ebnen. Nicht wenige Spitzensportler sind ständig unzufrieden mit ihrem Körper, ihrer Leistung, ja sogar ihrem kompletten Umfeld. Nur ein großes Erfolgserlebnis scheint die unruhige Seele wieder für einen Moment zu besänftigen.
Die Schwestern Pauline und Helene Schäfer (rechtes Bild) nahmen genau dieses Thema in Angriff. Sie selbst seien psychisch misshandelt worden und teilen nun ihre Erlebnisse mit der Öffentlichkeit. Diese Bekanntmachung war der Anstoß für Turnerinnen und Turner weltweit, ihr eigene Geschichte zu erzählen. Der Deutsche Turnerbund reagierte sofort auf die Veröffentlichung der Schwestern und hat die Trainerin entlassen.
Das Interview, welches Pauline und Helene Schäfer gegeben haben, kannst du dir gerne hier anschauen.
Das Interview, welches Pauline und Helene Schäfer gegeben haben, kannst du dir gerne hier anschauen.
Das liest sich jetzt vielleicht alles sehr hart und du fragst dich eventuell sogar, warum Turnen für mich dennoch der beste Sport ist. Wie schon oben geschrieben, bestätigen Ausnahmen immer die Regel. Ob die Schattenseiten beim Leistungsturnen nun die Ausnahme von der Regel, oder die Regel selbst sind, kann ich beim besten Willen nicht beurteilen. Für mich gilt aber trotz eventueller Schattenseiten: Turnen ist und bleibt der beste Sport! Warum, kannst du hier nachlesen.