Den Einstieg ins Wettkampfgeschehen stellen die P-Stufen-Wettkämpfe dar. Die sogenannten "P-Stufen" beziehen sich auf die jeweiligen Übungen, die die Turner am Gerät zu absolvieren haben. Es gibt an jedem Gerät Übungen, welche sich von der Schwierigkeit und somit auch von der Wertung unterscheiden. Hierbei stellt die "P1" die leichteste Übung und die "P9" die schwierigste Übung dar. Bei den Geräten Pauschenpferd und Ringe (Wettkampf männlich) beginnen die Übungen allerdings erst ab "P3". Die Wertung einer geturnten Übung setzt sich zusammen aus Ausgangswert = Schwierigkeitsgrad (Difficulty = D-Note) und Punktabzug durch Technik- oder Ausführungsfehler (Execution = E-Note).
Und hey, einfach erklärt kommt jetzt: Im P-Bereich bekommt jeder Turner einfach mal 10 Punkte fürs Durchziehen der Übung am Gerät. Soweit so gut. Tritt er zum Beispiel mit einer P3-Übung an, bekommt er noch 3 Punkte on top, hat dadurch also einen Ausgangswert von... na?... genau: 13! Abgezogen wird dann noch, was die Kampfrichter (2 objektive, ausgebildete Menschen) an Fehlern bemerken.
Ganz grundsätzlich gilt: P-Stufen sind ganz genau vorgegebene Übungen. Vergisst der Sportler eine Übung in der Abfolge, vertauscht die Abfolge oder hält sich auf andere Art und Weise nicht an den Plan, gibt es Abzüge. In dem Aufgabenbuch sind alle P-Stufen-Übungen enthalten. In diesen Tabellen (Beispiele in Bild links, Bild rechts ) sieht man noch einmal ganz genau die Übung, den Ausgangswert (D-Note), Fehlerhinweise und wie hoch der Abzug (E-Note) für den jeweiligen Fehler sein kann. Hier gilt, es gibt kleine (k=0,1 Punkte Abzug), mittlere (m=0,3P Abzug) und große (g=0,5P Abzug) Fehler. Zu einem P-Stufen Wettkampf kann man einzeln aber auch als Team antreten.
Ganz so einfach geht es nicht weiter. Die Anforderungen nehmen in den LK-Wettkämpfen zu. Auch die Zusammensetzung der Wertung ändert sich hier. "LK" ist einfach die Abkürzung für "Leistungsklasse". Bei den LK-Wettkämpfen wird also zwischen den Leistungsklassen unterscheiden. Hier gibt es 4 verschiedene. Die LK4 stellt die einfachste Stufe dar, die LK1 die schwierigste. Der Ausgangswert beruht erst einmal auch auf dem vollständigen Turnen der Übung und gibt damit 10 Punkte. Hinzu kommen, im Anschluss an die Übung, 0,5 Punkte pro geforderter, erfüllter Anforderung. Und nun das beste für alle leistungsorientierten Mitleser: Sind die Anforderungen noch dazu richtig hochwertige Elemente (man nennt die hier A-Elemente für die einfachste Variante bis I-Elemente für das absolute Optimum), kann die D-Note sich nochmal so richtig nach oben schrauben. Für ein A-Element gibt es 0,1 Punkte, für ein B-Element 0,2 Punkte, ein E-Element gibt 0,5 Punkte und so weiter. In die Wertung um den Ausgangswert kommen nur die 8 höchsten Elemente. Die Anforderungen sind viel allgemeiner als bei den P-Stufen-Wettkämpfen. Eine strikt einzuhaltende Abfolge gibt es hier nicht mehr. Somit bleibt mehr Spielraum bei der Übungszusammenstellung. Hinzu kommt, dass die Anforderungen nicht erfüllt werden müssen. Gibt dann halt kein Plus auf die D-Note. Abzug gibt es auch für Fehler, wie in den P-Stufen, für uneinheitliches Auftreten im Teamwettkampf und für ästhetische Ausreisser (schon das Herausblitzen des BH-Trägers kann Auswirkungen haben).
War doch viel. Kurzes Beispiel: Wir nennen das Beispiel Lisa. Lisa turnt im Wettkampf eine LK1-Bodenübung (Klick mich wenn du Nachschauen magst, klick hier für das Beispiel Barren im Bild links ). Sie zieht das durch, hat alle geforderten Elemente drin, beim Salto ist ihr aber ein Fehler unterlaufen. Gefordert ist Salto vorwärts oder seitwärts und rückwärts. Lisa hat den Salto rückwärts phänomenal gut geturnt, den Salto vorwärts aber komplett vergessen. Mal angenommen alles andere hat bis auf wenige technische Fehler richtig gut geklappt, ergibt sich folgende Rechnung:
10 Punkte für zu Ende gebracht + 2 für alle Anforderungen, bis auf den Salto vorwärts, erfüllt + 0,4 Punkte für 4 A-Elemente + 0,6 Punkte für 3 B-Elemente + 0,9 Punkte 3 C-Elemente und 3 Nationale Elemente (kurz NE), die schön waren, aber nicht in die D-Note einfließen (weil 0 Punkte). Gefordert waren 8 Elemente. Lisa hat mehr, in die Summe fließen aber nur die 8 höchsten Werte. Rechnung: 10 + 2 + 0,9 (3xC) + 0,6 (3xB) + 0,2 (2xA) = 13,7 in Summe. Und davon wird jetzt abgezogen was Lisa nicht so gut gemacht hat. Wichtig: Auch von Elementen, die nicht in die Rechnung eingeflossen sind, werden Fehler im Abzug gewertet. Wegen ein paar Patzern bekommt Lisa 1,5 Punkte Abzug. Für den gar nicht geturnten Salto bekommt sie keinen extra Abzug, dieser wurde ja in der Ausgangswertung nicht berücksichtigt. Lisa hat richtig tolle 12,2 Punkte.
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Wettkämpfe in der 1. und 2. Bundesliga werden nach dem Score-Point-System gewertet. Im Gegensatz zu den oben genannten Wettkampfsystemen, sind hier ausschließlich Teamwettkämpfe möglich. Liga Wettkämpfe sind also immer Teamwettkämpfe. Die Wertungen kommen grundsätzlich gleich zustande wie bei den LK-Wettkämpfen. Die Sportler turnen hier allerdings nach Code de Pointage . Die Anforderungen sind somit höher. Für erfüllte Anforderungen gibt es nach wie vor die bereits bekannten 0,5 Punkte. Nun wird nicht mehr das Gruppenergebnis gewertet, es werden Duelle geturnt. 2 Mannschaften befinden sich in direktem Kampf um den Sieg. Hierbei gilt: Es wird immer nach olympischer Reihenfolge geturnt. Boden, Pauschenpferd, Ringe, Sprung, Barren Reck.
Soweit die Theorie. Im Praktischen funktioniert das Ganze wie in folgendem Beispiel:
Der Oberkampfrichter bestimmt via Zufallsprinzip (z.B.: Münzwurf) die Mannschaft, die die Entscheidung treffen darf, wer am ersten Gerät beginnt. In unserem Beispiel fiel die Münze zu Gunsten Mannschaft 2. Diese entscheidet sich, dass Mannschaft 1 am ersten Gerät vorlegt. Das 2. Gerät (Pauschenpferd) würde dann von Mannschaft 2 eröffnet werden. Mannschaft 1 beginnt am Boden mit Tom. Während Tom seine Übung turnt, beobachtet der Trainer bzw. Taktiker von Mannschaft 2 genau, welche Anforderungen Tom in seiner Übung hat. Er achtet dabei auf so viel wie möglich und teilt dementsprechend einen Turner seiner Gruppe als Duellant am Boden ein. So läuft das nun am Boden bis 2 Turner jeder Mannschaft das Gerät beturnt haben, dann legt M2 2 mal vor und M1 kann taktieren. Wie schon erwähnt startet M2 danach mit dem 2. Gerät und auch hier wird in diesem Modus gewechselt. Und so weiter für alle 6 Geräte.
Nun zur Wertung: Wie schon erwähnt wird erst mal alles wie beim LK-Wettkampf betrachtet. Der Ausgangswert wird anhand der Anforderungen und der Schwierigkeit der Elemente entsprechend berechnet. Dies für jeden Duellanten. Abzüglich der Punkte für eventuelle Fehler oder ästhetische Fehltritte erhält der Turner seine Punkte. Und jetzt kommt es... der Kampf um die Scorepoints.
Gehen wir in unserem Beispiel davon aus, dass Tom am Boden 12,7 Punkte erreicht hat. Sein direkter Gegener Karl hat ihn mit 12,9 Punkten knapp übertroffen. Werfen wir einen Blick auf die Tabelle oben links. Die Differenz liegt in der ersten Zeile. Also bekommt Karl 1 Scorepunkt für seine Mannschaft. Hätte Karl 13,7 Punkte erturnt... richtig, dann wären es 3 Scorepoints gewesen. Das Ergebnis der Duelle bleibt übrigens geheim, bis beide Duelleanten durch sind. Nach jedem Gerät werden die Scorepunkte der jeweiligen Mannschaft addiert. Wer mehr Scorepunkte an diesem Gerät hat, hat dieses Gerät gewonnen und sichert sich zusätzlich einen Gerätepunkt. Der Gerätepunkt wird aber nicht zu den Scorepunkten addiert. Wichtig sind Gerätepunkte zum Beispiel, wenn in der Tabelle Gleichstand herrscht. Du kennst doch sicher die Tordifferenz im Fußball, so läufts hier quasi auch.
Sind beide Mannschaften am Ende des Wettkampfs punktgleich, wird nach dem "Sudden-Death-System" weiter geturnt. Per Zufall (Münze und so) wird das Wahlrecht ausgelost. Die Mannschaft mit Wahlrecht entscheidet, ob sie selbst beginnen möchte und wenn ja, an welchem Gerät. Geturnt wird an diesem Gerät 1 Duell. Anschließend sucht die andere Mannschaft ein Gerät aus, an dem auch genau 1 Duell geturnt wird. Gibt es danach immer noch keinen Punktunterschied, nochmal 2 Geräte usw.